Strukturausbildung bei der Herstellung pulverförmiger Feststoffe

Bearbeiter: Dipl.-Ing. W. Säckel

Projektziele

Die Herstellung von Feststoffpartikeln mittels Sprühverfahren ist ein weit verbreiteter Prozess, bei dem vielfach ausschließlich physikalische Umwandlungen stattfinden. Das bekannteste Beispiel ist die Sprühtrocknung. Reaktive Sprühverfahren, wie z.B. die Sprühpolymerisation, sind weniger verbreitet, bieten jedoch vom Standpunkt der Prozessintensivierung und der Entwicklung von Funktionsmaterialien ein interessantes Potenzial. Im Schwerpunkt-Programm 1423 „Prozess-Spray“ der deutschen Forschungsgemeinschaft werden Sprühprozesse im Hinblick auf die gezielte Entwicklung und Anwendung von prozessintegrierten Zerstäubungsverfahren auf verschiedenen Skalen betrachtet. Im Rahmen des Teilprojekts A3 befasst sich das ICVT mit der Modellierung der Vorgänge innerhalb einzelner Tropfen des Sprays.

Ein wichtiges Kriterium bei der Weiterverarbeitung der pulverförmigen Produkte stellt ihre Morphologie bzw. strukturbezogene Eigenschaften wie die Porosität dar. Etablierte Modelle zur Einzeltropfentrocknung gehen typischerweise von quasi-homogenen Medien und einer kugelsymmetrischen Geometrie aus, sodass Vorhersagen zur Strukturentwicklung nur in eingeschränktem Maße getroffen werden können. Im Rahmen dieses Projekts wird daher ein alternativer Modellierungsansatz auf Basis der gitterfreien SPH-Verfahrens entwickelt, bei dem die zu Grunde liegenden physikalischen Effekte mehrdimensional und detailliert abgebildet werden sollen.

Reaktive Sprühverfahren werden in der Literatur bisher mit konzentrierten 0D-Ansätzen abgebildet, bei denen der Tropfen als ideal durchmischtes Volumen angenommen wird. Am Beispiel der Sprühpolymerisation werden daher etablierte Einzeltropfen-Trocknungsmodelle im Hinblick auf eine ortsaufgelöste Darstellung reaktiver Trocknungsprozesse weiterentwickelt.

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Abbildung 1: Partikelmorphologien bei der Polymerisation levitierter Einzeltropfen [1]

Modellierung der Strukturausbildung in Tropfen mit gitterfreien Verfahren

In der Modellierung strukturbildender Prozesse sind in der Regel Mehrphasensysteme mit vielen, stark veränderlichen Grenzflächen zu berücksichtigen. Gitterfreie Methoden bilden das Kontinuum über entsprechend einer Lagrange-Betrachtungsweise frei bewegliche Interpolationspunkte, in der Regel als „Partikel“ bezeichnet, ab. Hierdurch lassen sich große Materialdeformationen und Veränderungen an Grenzflächen leichter abbilden als in gitterbasierten Ansätzen, da die Diskretisierung sich intrinsisch den Veränderungen anpasst und eine Gitteradaption entfällt.

Im Rahmen dieses Projekts wurde ein Flow-Solver auf Basis der gitterfreien Smoothed Particle Hydrodynamics (SPH) Methode [2] entwickelt. Hierbei wird die Flüssigphase als inkompressibles, Newtonsches Fluid abgebildet, innerhalb derer suspendierte Feststoffe als Starrkörper implementiert sind. Die Effekte von Oberflächenspannung und Benetzung werden über paarweise Kräfte zwischen den einzelnen SPH-Partikeln dargestellt. Typische Ansätze für den Wärme- und Stoffübergang zum Trocknungsgas (z.B. basierend auf linearen Triebkräften) wurden in der Literatur bisher nicht in SPH abgebildet. An dieser Stelle wurden eigene Implementierungen entwickelt [3][4].

Simulationen an zweidimensionalen Tropfen zeigen eine deutliche Abhängigkeit der berechneten Produktmorphologie von der Trocknungsrate als Prozessparameter und physikalischen Eingangsgrößen wie dem Kontaktwinkel. Bei einer Variation der Trocknungsrate zeigen die Rechnungen das aus Experimenten bekannte Verhalten, dass harsche Trocknungsbedingungen zu einer frühen Krustenbildung und großen, hohlen Produktpartikeln führen, während milde Trocknungsbedingungen einen gleichmäßigeren Trocknungsverlauf und kompaktere Produkte bedingen (siehe Abbildung 2). Abbildung 3 zeigt beispielhaft eine Simulation im zeitlichen Verlauf, in der der Kontaktwinkel zwischen 0° und 40° variiert wurde. Die Trocknung einer porösen Schicht ist in Abbildung 4 dargestellt. Dabei wurde der diffusive Dampftransport in der Gasphase mit Hilfe eines selbstentwickelten SPH-Gitter-Hybridansatzes berücksichtigt.

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Abbildung 2: Partikelmorphologien bei niedriger (links) und hoher (rechts) initialer Trocknungsrate

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Abbildung 3: Suspensionstrocknung bei 0° (oben) und 40° Kontaktwinkel (unten). Bei verminderter Kapillarwirkung fällt die Tropfenoberfläche früher trocken, und eine Krustenbildung setzt früher ein.

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Abbildung 4: Trocknung einer porösen Schicht bei 0° (oben) und 40° Kontaktwinkel (unten) im zeitlichen Verlauf.

Modellierung der Sprühpolymerisation mit klassischen Einzeltropfen-Modellen

Etablierte Einzeltropfenmodelle zur Trocknung von Lösungen wurden im Hinblick auf das Reaktions-Diffusions-Systems bei reaktiven Trocknungsvorgängen weiterentwickelt. Bei Polymerisationen ist zu berücksichtigen, dass das Produkt eine Molmassenverteilung besitzt, deren Zahlen- und Massenmittel wichtige Produkteigenschaften darstellen und örtlich möglichst homogen sein sollten. Beispielhaft wurde die freie radikalische Polymerisation betrachtet, deren chemische Reaktionen über die bekannten Ansätze der Quasistationaritätsannahme (QSSA) und der Momentenmethode implementiert wurden. Der Transport der Polymerkomponente bzw. ihrer Eigenschaften/Momente innerhalb des Tropfens weist infolge ihrer variablen Molmasse Besonderheiten auf, die in einem erweiterten Diffusionsansatz zu berücksichtigen waren. Beispielhafte Berechnungen (Abbildung 5) zeigen, dass bei Diffusionskoeffizienten, wie sie in wässrigen Lösungen üblich sind, aufgrund der geringen Tropfendurchmesser keine Transporthemmung zu erwarten ist. Dabei ist das Produkt sehr homogen. Kommt es aus irgendwelchen Gründen zu einer Filmbildung o.ä., so dass die Diffusionskoeffizienten deutlich erniedrigt sind, zeigen sich deutliche Gradienten innerhalb des Tropfens, die sich auch auf das gebildete Produkt bzw. seine mittlere Molmasse auswirken. In einer technischen Anwendung sollte dies nach Möglichkeit vermieden werden. Während bei einer reaktiven Trocknung häufig von simultaner Trocknung und Reaktion gesprochen wird, zeigen die Berechnungen, dass bei ungehemmtem Transport und somit ungehemmter Verdampfung infolge der Verdunstungskühlung chemische Reaktionen in der Regel kinetisch so limitiert sind, dass diese erst einsetzen, wenn das Lösungsmittel schon zum größten Teil verdampft wurde. Die Polymerisation im Tropfen wird also als Massepolymerisation durchgeführt [5].

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Abbildung 5: links: Radialprofile des Zahlenmittels der Molmassenverteilung einer Polymerisation im Tropfen im zeitlichen Verlauf bei Diffusionskoeffizienten von 10-9 m2/s (oben) und 10-11 m2/s (unten). rechts: Verlauf der über den Tropfen gemittelten Werte innerhalb der ersten Sekunden bei D = 10‑9 m2/s. Reaktionen setzen erst bei nahezu vollständiger Verdampfung des Lösungsmittels ein.

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  1. Biedasek, S.: Aufbau eines akustischen Levitators zur Durchführung und Online-Verfolgung von Polymerisationen in Einzeltropfen als Modellexperiment für die Sprühpolymerisation. Dissertation, Uni Hamburg, 2008.

  2. Monaghan, J. J.: Smoothed particle hydrodynamics. Reports on Progress in Physics, Jg. 68, H. 8, S. 1703–1759, 2005.

  3. Säckel, W., Keller, F., Nieken, U.: Modelling of Single Droplet Drying and Morphology Evolution using Meshfree Simulation Methods, Proceedings of the 12th ICLASS, 2.-6. September 2012, Heidelberg, contribution 1329, http:://www.iclass2012.org, 2012.

  4. Säckel, W., Huber, M., Hirschler, M., Kunz, P., Nieken, U.: Modelling of Morphology Evolution in Single Droplet Drying by Meshfree Methods, submitted to Drying Technology as one of ten selected papers from Eurodrying 2013.

  5. Säckel, W., Nieken, U.: Modellierung reaktiver Sprühtrocknungsprozesse am Beispiel der Sprühpolymerisation, Chemie Ingenieur Technik, Jg. 86, H. 4, S. 438-448, 2014.

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